Die Filzfabrikation im Raum Hilchenbach
Filz ist einer der ältesten textilen Stoffe der Menschheit, sie reicht wohl bis in die Bronzezeit zurück. Er entsteht nicht durch Verweben, sondern durch Faserverschlingung von Wolle
oder Tierhaaren, deren besondere Schuppenschicht unter Bearbeitung in feuchter Wärme und mit Walkmitteln das Verfilzen bewirkt.
Neben der Leimherstellung war auch die Filzfabrikation im Raum Hilchenbach eine durch die Lohgerberei bedingte Folgeindustrie.
Grundlage dieses Gewerbes waren die in den Gerbereien anfallenden tierischen Haarabfälle. Während der Blütezeit von 1852 bis 1888 wurden in den Siegerländer Gerbereien die Abfallmengen von
Tierhaar immer größer. Bis dahin hatte man sie auf die Felder gestreut, luftgetrocknet zum Feinputz an die Maurer verkauft oder zum Binden der Lehmgefache an den
Fachwerkhäusern verwendet. Die günstige Entwicklung der Filzindustrie resultierte aus der Vielfalt der technischen Verwendungsmöglichkeiten ihrer Erzeugnisse. Die hauptsächlich
hergestellten Rollmaschinenfilze dienten vor allem der Wärmeisolation in Gebäude und beim Bau von Dampfmaschinen und Lokomotiven.
Zwei Gerber, Albert Müller aus Freudenberg und Carl Scheuermann aus Haarhausen, versuchten aus den Schwitzhaaren der Tierhäute
Filz herzustellen. Sie erfanden Beizprozesse, durch die glatte Tierhaare überhaupt erst filzfähig werden. Als Begründer der Siegerländer Filzindustrie gilt der Haarhausener (heute zu dem Hilchenbacher
Ortsteil Allenbach gehörend) Carl Scheuermann, ein ehemaliger Gerber, der 1869 die erste Siegerländer Filzfabrik gründete und sie auf der
Grundlage eines von ihm entwickelten technischen Verfahrens betrieb. Das aufstrebende Unternehmen wurde 1925 in das Breitenbachtal
verlegt und trug seitdem den Namen "Stift Keppeler Filzfabrik". Sie entwickelte sich zu einem der größten deutschen Unternehmen in der Filzherstellung.
Filze als Wärmeschutz und Isoliermittel für Dampfkessel und Rohrleitungen wurden dort produziert sowie Schuhfilze für die
Hausschuhindustrie. In den 1930er Jahren arbeiteten dort 120 Männer nur für die Filzpantoffeln. Keppeler Sohlenfilz wurde auf einem
Lastwagen mit zwei Anhängern nach Pommern zur Greifenhagener Filzpantoffelfabrik südlich von Stettin geliefert.
Ebenso wie das Ende der Lohgerberei um 1900 erzwang der Verlust der deutschen Absatzmärkte im Osten nach dem Kriegsende 1945
eine Veränderung des Produktionsprogramms. Man stellte nun Filze für Schleif- und Polierscheiben, konfektionierte, einbaufertige Filze für
die Auto-, Metall- und Glasindustrie her. Als Rohstoff wurde Wolle aus dem Ausland, Australien, Amerika sowie Tierhaar aus China bezogen.
Von vier Siegerländer Filzfabriken bestand der Stift Keppeler Betrieb als letzter bis 1983. Neben modernen Walkanlagen liefen dort bis
dahin noch alte Maschinen aus den 1920er Jahren, z.B. die Etagenpresse. Bis zuletzt lieferte eine 1915 gebaute Dampfmaschine die notwendige Energie. Als Rest dieser als Technisches
Kulturdenkmal eingestuften alten Anlage steht heute das große Schwungrad in dem Netphener Ortsteil Deuz.
Als Berufe arbeiteten in der Filzfabrik Krempler, Filzer und Walker. Sechs Hauptarbeitsgänge
waren für die Herstellung guten Plattenfilzes notwendig: Die Trocknung bereitete das zuvor gelockerte und gewaschene (“gewolfte”) Tierhaar für die “Facherei” vor. Hier erfolgte eine
Sortierung und eine erste mechanische Haarverdichtung. Auf der Krempelmaschine entstand der zwei Meter breite und 40 Meter lange “Krempelpelz”, wobei über Walzen und ein Endlostuch
laufend Flieslagen aus dem Haarmaterial übereinander kamen, bis die Filzbahn die notwendige Dicke erreicht hatte. Die Filzmaschine verdichtete den Krempelpelz weiter und verwandelte ihn
zu Filz. Als Voraussetzung dafür musste Bewegung, Druck, Feuchtigkeit
und Wärme zusammenwirken, was durch die Maschinenkonstruktion mit Walzen, dampfbeheizter Druckplatte und Heißwasserbad erreicht wurde. Nach “mehrmaligem Durchgang wurde
das gehörig gefilzte Zeug” vom Filzmeister in Teile geschnitten, damit es gewalkt werden konnte.
Im Walkhammer wurde der Filzprozeß nach “ehernem Walkgesetz Wärme, Druck, Feuchtigkeit
und Bewegung” vollendet. Durch Beize mit chemischen Mitteln in großen Holzbottich vorbereitet, wurden die Filze auf Holzstangen gerollt und fest verschnürt. Mit mechanischer Bearbeitung
durch Schlagen und Kneten im Walkhammer unter Einsatz von großen Mengen heißen Wassers erhielten die Filze die notwendige Dichte, eines der wichtigsten Qualitätsmerkmale.
Mit der Etagenpresse wurden die Filzplatten zu Grob- oder Feinfilzen gepreßt. Ein Schnelltastergerät maß dabei exakt die Dichte entsprechend verschiedener Härtegrade nach DIN-Norm.
Zuletzt wurden in Allenbach Filze zum Zweck der Isolierung und Abdichtung hergestellt. Als Spezialität galten die Filzscheiben zum
Schleifen und Polieren. Eine Filzfabrikation und den Beruf des Filzmachers gibt es heute im Siegerland nicht mehr.
Quellennachweise
"Stadtmuseum Hilchenbach in der Wilhelmsburg" - Die vollständige Loseblatt-Dokumentation ist im Stadtmuseum als Museumsführer erhältlich
Arnold, Otto, Siegerländer Arbeitswelt, Otto Arnold Photographie 1927 - 1938, Bilddokumente einer Südwestfälischen Kulturlandschaft, Texte von Hanne-Lore Arnold,
Detlev Arnold, Dr. Hartmut Laumann und Dieter Tröps, Verlag Arnold, Siegen 1985
Das Bild 1 zeigt die ehemalige Filzfabrik im Breitenbachtal im Jahr 2001 von der Staumauer der Breitenbachtalsperre aus gesehen. Die Filzfabrikation ist allerdings längst
eingestellt worden. Das Foto ist eine eigene Aufnahme.
Das Bild 2 stammt aus Arnold, Otto, Siegerländer Arbeitswelt, Otto Arnold Photographie 1927 - 1938, Bilddokumente einer Südwestfälischen Kulturlandschaft, Texte von
Hanne-Lore Arnold, Detlev Arnold, Dr. Hartmut Laumann und Dieter Tröps, Verlag Arnold, Siegen 1985, S. 165
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